Angela Merkel: Radikaler Schritt nach Trennung von erstem Ehemann
Angela Merkel etablierte sich von der Außenseiterin zur Bundeskanzlerin. Auch im Privaten wählte die Politikerin stets ihren eigenen Weg – wie etwa nach der Trennung von ihrem ersten Ehemann Ulrich Merkel.
Angela Merkel etablierte sich von der Außenseiterin zur Bundeskanzlerin. Auch im Privaten wählte die Politikerin stets ihren eigenen Weg – wie etwa nach der Trennung von ihrem ersten Ehemann Ulrich Merkel.
Am 17. Juli 2024 feiert Angela Merkel, 69, ihren 70. Geburtstag. Rund sechs Jahre zuvor trat sie als CDU-Vorsitzende zurück und gab an, sich nach dem Ende der Legislaturperiode nicht erneut als Kanzlerkandidatin aufstellen zu lassen. Nach ihrer Verabschiedung im Dezember 2021 ist es still um Merkel geworden. Nur die wenigsten wissen, wie die ehemalige Bundeskanzlerin privat tickt. In der am Montag, 8. Juli, erschienenen Doku-Reihe "Angela Merkel – Schicksalsjahre einer Kanzlerin" gewährt die ARD einen Blick in die Gedankenwelt der Frau, die 16 Jahre lang das Land regierte. Schon früh zeichnete sich nicht nur in ihrer politischen Laufbahn, sondern auch in ihrem Privatleben eine rebellisch anmutende Art ab.
"Weit hast du's noch nicht gebracht": Selbst Angela Merkels Vater unterschätzte sie
Bis Angela Merkel es an die Spitze der CDU schaffte, war es ein langer Weg für die studierte Physikerin. Während ihrer Tätigkeit am Zentralinstitut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR inmitten der 80er-Jahre habe sie irgendwann das Gefühl gehabt, sich nicht weiterentwickeln zu können. Sie war von 1977 bis 1981 verheiratet und seit 1982 geschieden – von ihrem ehemaligen Studienkollegen Ulrich Merkel, 71. Das Paar hatte sich im Jahr 1974 während des gemeinsamen Physikstudiums in Leipzig kennengelernt. Als Angela 27 Jahre alt war, trennte sich das Paar, die Scheidung folgte im Jahr darauf. Gemeinsame Kinder hatten sie keine.
Trotzdem sollte sich das Ex-Paar nach wie vor eine Wohnung teilen, doch das ging Angela Merkel gegen den Strich. Da sie auf Anhieb keine eigene Bleibe finden konnte, besetzte sie kurzerhand eine leer stehende Wohnung. In der Marienstraße in Berlin-Mitte wohnte die Physikerin illegal. "Ich habe in so einer Wohnung gewohnt, die nicht saniert war. An meinem 30. Geburtstag kam mich mein Vater besuchen, guckte sich da um, und statt 'Glückwunsch' sagt er: 'Weit hast du’s ja noch nicht gebracht'", wird Merkel in der Doku aus einem Podiumsgespräch aus dem Jahr 2013 zitiert.
Als Tochter eines Pfarrers wurde sie sofort zur Außenseiterin in der DDR
Diese Außenseiterrolle zog sich schon früh durch Merkels Leben, denn als Tochter eines Pfarrers galt sie in der DDR ohnehin zunächst als Sonderling, heißt es. Ihr Vater leitete ein Pastoralkolleg, eine Weiterbildungsstätte für Theolog:innen, in Brandenburg. "Für DDR-Verhältnisse ist sie unter besonderen Verhältnissen aufgewachsen", meint der Pfarrer und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann, 81, im Interview. Merkels Mutter soll ihr früh erklärt haben, sie müsse in der Schule besser sein als die anderen Kinder. Die ehrgeizige Angela nahm ihre Mutter beim Wort und erzielte ein Abitur mit der Note 1,0.
Dennoch erkannte Merkel, wie wichtig es war, sich anzupassen: "Ich halte Anpassung für eine ziemlich lebensnotwendige Sache und für keinen Makel", so die gebürtige Hamburgerin in der Interviewsendung "Zur Person" im Jahr 1991. Und so schloss sie sich der Freien Deutschen Jugend (FDJ), einem kommunistischen Jugendverband, an, was für Pfarrerskinder wie sie sehr ungewöhnlich war. Für Merkel stand jedoch fest: Hauptsache, nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten zu müssen, bloß keine Theologie studieren.
Die studierte Physikerin erreichte die Menschen wie kaum ein anderer Politiker
Und auch als Angela Merkel den Weg in die Politik einschlug, galt sie als anders und sonderbar: Sie war eine protestantische, geschiedene, kinderlose Naturwissenschaftlerin, aufgewachsen im Osten Deutschlands, die der katholisch-geprägten CDU beitrat. Als Frau musste sich Merkel ohnehin vor ihren männlichen Kollegen behaupten, musste sich permanent Kommentare zu ihrem Aussehen gefallen lassen. Doch auch so manche Frau stellte die Fähigkeiten der Kanzlerin infrage. So hat Gerhard Schröders, 80, damalige Ehefrau Doris Schröder-Köpf, 60, im Jahr 2005 gegenüber der "Zeit" kritisiert: "Frau Merkel verkörpert mit ihrer Biografie nicht die Erfahrungen der meisten Frauen. Die beschäftigt, wie sie Familie und Job unter einen Hut bekommen, ob sie nach der Geburt für mehrere Jahre aussteigen wollen oder wie sie ihre Kinder am besten erziehen. Das ist nicht Merkels Welt."
Doch von solchen Limitierungen ließ sich Merkel nie aufhalten. So war ihr durchaus bewusst, dass sich ihre Tätigkeit als Politikerin stark von ihrem vorherigen Beruf als Physikerin unterschied. Doch statt sich zu verbiegen, ging die CDU-Politikerin ihren eigenen Weg – und ließ ihre erfrischend rationale Art, wie sie es aus der Wissenschaft gewohnt war, in ihre Reden einfließen:
Am schwersten ist es mir gefallen, mich zu wiederholen. In der Naturwissenschaft sind Sie eigentlich eine Versagerin, wenn Sie mehr als zweimal das Gleiche in einem Vortrag sagen. Man erwartet von Ihnen jeweils das neuste Forschungsergebnis. Und Politik lebt natürlich davon, dass man möglichst viele Menschen mit der gleichen Botschaft erreicht, die einem wichtig ist,
verriet Angela Merkel in einem Gespräch mit Journalist Giovanni di Lorenzo, 65, am 29. April 2023. Zu Beginn habe sie sich Sorgen darüber gemacht, wie sie sieben Minuten am Stück reden sollte, später habe sie sich erschreckt, dass sie "mühelos" 45-minütige Reden halten konnte.
Zur Parteispendenaffäre ihres Ziehvaters Helmut Kohl zeigte Merkel ihre rebellische Ader
Einer der prägendsten Momente in Angela Merkels Laufbahn dürfte die CDU-Spendenaffäre im November 1999 gewesen sein. Bundeskanzler Helmut Kohl, †87, gab zu, während seiner Amtszeit Millionenbeträge entgegengenommen zu haben. Damit brach er das Parteispendengesetz. Von wem er das Geld erhalten hatte, hielt er jedoch unter Verschluss. Die Glaubwürdigkeit der Partei war zu diesem Zeitpunkt strittig. Statt neben ihrem einstigen Ziehvater inmitten der Schlagzeilen unterzugehen, entschied sich Merkel dazu, ein Zeichen zu setzen. Die damalige CDU-Generalsekretärin verfasste einen Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", in dem sie sich deutlich von Kohl distanzierte. So schrieb sie:
Die von Kohl eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt. [...] Die Partei muss also laufen lernen, muss sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtross [...] den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen. Sie muss sich wie jemand in der Pubertät von zu Hause lösen, eigene Wege gehen [...].
Über ihren kontroversen Bericht erfuhren ihre Parteikolleg:innen aus der Zeitung, nicht einmal Parteichef Wolfgang Schäuble, †81, wurde zuvor in den Plan eingeweiht. Anschließend wäre Angela Merkel beinah aus der Partei entlassen worden, innerhalb der Union wurde sie sogar als "Vatermörderin" und "Nestbeschmutzerin" bezeichnet. Für ihr souveränes Handeln erhielt Merkel jedoch ebenso viel Zuspruch und schließlich gab ihr auch Wolfgang Schäuble recht. Nachdem dieser am 16. Februar 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurückgetreten war, wurde die Generalsekretärin zu seiner Nachfolgerin und am 10. April offiziell zur neuen CDU-Bundesvorsitzenden gewählt. Nach sieben männlichen Kanzlern wurde Angela Merkel im Jahr 2005 die erste Bundeskanzlerin. Gleichzeitig war sie mit 51 Jahren die Jüngste, die erste Ostdeutsche sowie die erste Naturwissenschaftlerin, die das Amt bekleidete. Die einstige Außenseiterin hatte sich ein Denkmal gesetzt.
Die fünfteilige Dokumentationsreihe "Angela Merkel – Schicksalsjahre einer Kanzlerin" wird erstmals am Montag, 15. Juli 2024, um 22:30 Uhr im Ersten ausgestrahlt. Zusätzlich sind alle fünf Folgen online kostenlos in der ARD-Mediathek abrufbar.
Verwendete Quellen: "Angela Merkel – Schicksalsjahre einer Kanzlerin" via ARD, spiegel.de, germanhistorydocs.ghi-dc.org