Anika Decker: "Mit 50 bist du nicht verblüht"

Mit der Komödie "Keinohrhasen" wurde Anika Decker berühmt. In GALA spricht die Drehbuchautorin über das Altern, die Liebe und Verluste.

Jan 26, 2025 - 20:17
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Anika Decker: "Mit 50 bist du nicht verblüht"

Mit der Komödie "Keinohrhasen" wurde Anika Decker berühmt. In GALA spricht die Drehbuchautorin über das Altern, die Liebe und Verluste.

Eigentlich denkt sie sich die Geschichten aus, die sie schreibt. Doch auch ihr eigenes Leben würde genug Stoff für einen Film bieten: Mit Ende 20 wird Anika Decker als Drehbuchautorin für Til Schweigers "Keinohrhasen" berühmt. Mit Anfang 30 entkommt sie nur knapp dem Tod. Später verklagt sie die Macher des Films, der mehr als 70 Millionen Euro einspielte, weil sie selbst nur 50.000 Euro abbekam.

Der neue Roman der 49-Jährigen "Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben" (dtv, 464 S., 23 Euro) erzählt die Geschichte einer knapp 50-jährigen Frau, die sich in einen 20 Jahre jüngeren Mann verliebt. Wie viel von Deckers eigenen Erfahrungen steckt wohl darin?

Anika Decker im GALA-Interview

GALA: Sie sind im selben Alter wie die Hauptfigur Ihres neuen Romans. Wie geht es Ihnen kurz vor dem 50. Geburtstag?
Anika Decker: Ich stecke seit drei Jahren in den Wechseljahren, habe schon alles bis auf Hitzewallungen durch: Stimmungsschwankungen, Vergesslichkeit, Gelenkschmerzen, Gewichtszu- und -abnahme, fürchterliche Migräne.

Durch eine Hormonanalyse gewann Anika neuen Schwung

Was hat Ihnen geholfen?
Ich habe mich hormonell einstellen lassen. Und bin dafür sehr dankbar, denn ich hatte Brain Fog, Nebel im Hirn. Dadurch konnte ich mich nicht mehr gut konzentrieren und war sehr oft abgelenkt, was beim Schreiben natürlich eine Katastrophe ist. Und ich trug auch so eine Schwere in mir.

Und jetzt geht es Ihnen gut?
Ja. Ich bin körperlich und geistig wieder fit, habe dadurch einen Schwung beim Schreiben bekommen, den hatte ich ewig nicht mehr. Ich bin verliebt in das Leben! Deshalb bin ich auch richtig sauer, wie mies uns Frauen immer die Fünfziger verkauft wurden: Mit 50 bist du verblüht, jetzt kannst du anfangen, dir eine praktische Kurzhaarfrisur zu machen. Und Enten füttern. Von wegen!

Stattdessen erleben Sie Ihren zweiten Frühling …
Oh ja! Ich habe mit Ende 40 geheiratet. Ich wollte an diesem Tag einfach nur meine große Liebe und im Kreise meiner Liebsten feiern, war viel entspannter, als ich es vermutlich mit 25 gewesen wäre. Mein Hochzeitskleid hab ich mir per FedEx schicken lassen, hab's einfach gegen die Jogginghose getauscht. Passte! (lacht)

Anika Decker: "Ich kann jetzt nie wieder zu jemandem Papi sagen!" 

Was hat sich mit dem Älterwerden sonst noch geändert?
Meine Lebenslust hat sich extrem gesteigert, weil ich Dinge bewusster erlebe. Ich nehme nichts und niemanden mehr als selbstverständlich hin. Es ist etwas Besonderes, Menschen in meinem Leben zu wissen, die mir zur Seite stehen, für mich da sind. Zum Beispiel nach einem Todesfall in der Familie.

Über welchen schweren Verlust sprechen Sie?
Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Er war schwer herzkrank, dann wurde Parkinson diagnostiziert. Hinter uns liegen viele Jahre des Kummers. Deswegen war ich davon ausgegangen, dass ich auf den Tod meines Vaters vorbereitet sei. Aber als Kind kann dich nichts darauf vorbereiten. "Ich kann jetzt nie wieder zu jemandem Papi sagen!" Dieser Satz hat sich so eingebrannt bei mir.

Konnten Sie Abschied nehmen?
Ja, wir hatten ihn eine Zeit lang zu uns nach Hause geholt, dort habe ich ihn mit meiner Mutter und meinem Mann gepflegt. Ich hatte keine Vorstellung, was das für ein traumatischer Einschnitt im Leben ist.

Was ist Ihnen aus dieser schweren Zeit besonders in Erinnerung?
Am Ende wollte er nicht mehr essen und trinken. Nach seinem Tod gab mir eine Pflegerin mit auf den Weg: "Die große Frage ist: Stirbt jemand, weil er nicht mehr isst und trinkt? Oder isst und trinkt jemand nicht mehr, weil er stirbt?" Wahrscheinlich sind wir da unwissend, weil es etwas zwischen Zeit und Raum ist, das wir erst beim Übergang in den Tod erfahren und verstehen. Ich war ja schon mal halb drin …

Sie sprechen von Ihrer Sepsis?
Ja, ich lag damals sieben oder acht Tage lang im künstlichen Koma. Jetzt habe ich begriffen, dass mir diese Erfahrung eine stärkere Verbindung zu meinem Vater ermöglicht hat. Er erlitt im späteren Stadium eine Demenz. Und ich erinnere mich, wie ich aus dem Koma erwacht bin, Erinnerungslücken hatte, Sachen nicht verstanden habe oder verwirrt war. Ich konnte ihn deshalb fühlen: Weil ich auch weiß, was es bedeutet, wenn alles schmerzt, wenn Bewegungen und die Gelenke wehtun. Ich musste wieder laufen und viele motorische Dinge lernen, genauso das Essen und Sprechen. Mein Heilungsprozess hat zehn Jahre gedauert.

Dennoch hatten Sie die Kraft, um Til Schweiger, seine Produktionsfirma und Warner Bros. zu verklagen. Wie stark merken Sie die Auswirkungen davon noch?
Den Gegenwind merke ich sehr. Aber es ist ein frei gewählter Kampf. Ich möchte, dass sich die Rechtslage klärt und dass Drehbuchautoren gestärkt werden. Das Verfahren läuft noch immer. Zum Glück kann ich in meinem Job immer irgendwie arbeiten. Deshalb will ich nicht jammern.