Blutrünstig, ekelerregend & packend: Gothic-Grusel kommt mit ekeligem Vampir-Horror zurück ins Kino

Das neue Jahr startet direkt mit einem mit Spannung erwarteten Horror-Remake. Ob es seinem Original gerecht wird, verraten wir euch hier.

Jan 2, 2025 - 12:02
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Blutrünstig, ekelerregend & packend: Gothic-Grusel kommt mit ekeligem Vampir-Horror zurück ins Kino

Das neue Jahr startet direkt mit einem mit Spannung erwarteten Horror-Remake. Ob es seinem Original gerecht wird, verraten wir euch hier.

„Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ aus dem Jahr 1922 ist ein bahnbrechender Meilenstein in der Filmgeschichte und gilt als einer der ersten und bedeutendsten Horrorfilme. Der deutsche expressionistische Regisseur F. W. Murnau schuf mit diesem ikonischen Stummfilm eine visuell beeindruckende Adaption von Bram Stokers Schauerroman „Dracula“, welche aufgrund von Urheberrechtsproblemen mit „Nosferatu“ statt „Dracula“ betitelt wurde. Zudem wurden die Figurennamen sowie der Schauplatz geändert: Anstelle von London spielt der Großteil in der fiktiven deutschen Stadt Wisborg. „Nosferatu“ legte den Grundstein für das Vampir-Genre im Film und beeinflusste zahlreiche nachfolgende Werke in der Horrorfilmgeschichte. Das Werk könnt ihr bei den folgenden Anbietern streamen:

Nachdem die „Dracula“-Adaption unter anderem mit „Nosferatu – Phantom der Nacht“ mit Klaus Kinski aus 1979 neu aufgelegt wurde, erwartet uns mit „Nosferatu – Der Untote“ eine weitere Neuinszenierung, die ihr aktuell im Kino sehen könnt. Diesmal widmete sich „Der Leuchtturm“-Regisseur Robert Eggers der Vampirgeschichte und verpflichtete „ES“-Star Bill Skarsgård in der Rolle des Graf Orlock. Außerdem in dem Film zu sehen sind Lily-Rose Depp („The Idol“), Nicholas Hoult („The Menu“), Willem Dafoe („Poor Things“), Emma Corrin („Deadpool & Wolverine“) sowie Aaron Taylor-Johnson („Bullet Train“). Einen ersten Einblick gewährt euch dieser Trailer:

Wir sahen den Film bereits und verraten euch hier, ob Eggers dem Horrorklassiker gerecht wird. Es folgen Kritiken unserer Redakteurinnen Lucie, Michi und Eileen. Lucie: Oldschool-Horror mit einer bedeutsamen Neukontextualisierung

Robert Eggers erfindet in seiner „Nosferatu“-Verfilmung das Rad nicht neu, aber legt doch den richtigen Fokus mit seinem Remake. Was wir zu sehen bekommen, ist ein Horrorfilm der alten Schule: Ein Klassiker, den die fortschrittliche Technik, eine beeindruckende Kameraführung, Filmmusik, bei der sich die Nackenhaare aufstellen, und Eggers geschultes Auge auf ein neues Level heben.

Natürlich ist es ein großes Erbe, an welches sich der „Der Leuchtturm“-Regisseur hier wagt. Er selbst hat mit nur neun Jahren erstmals Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ von 1922 gesehen und seitdem habe ihn der Film nicht mehr losgelassen. Diese Liebe zum Original merkt man dem Film an: Zwischen dem opulenten Gothic-Stil und nervenzerfetzenden Jump-Scares wahrt „Nosferatu“ beinahe ununterbrochen die fesselnde Atmosphäre eines angstgetränkten Albtraums, was den Film für mich zu einem gelungenen Remake macht.

Auch der Cast überzeugte mich gänzlich mit Bill Skarsgård, der als Graf Orlok sein tiefstes, schaurigstes Stimmregister hervorholt, und Nicholas Hoult in seiner wohl besten Performance bisher. Die größte Überraschung stellte für mich allerdings in jedem Fall Lily-Rose Depp dar. Sie verkörpert Ellen Hutters wahnhafte Besessenheit und alptraumhafte Realität mit einer Hingabe, die man auf der großen Leinwand sehen sollte. Dass sich Eggers hier entscheidet, die Geschichte primär aus Ellens Perspektive zu erzählen und Depp diese Bühne bietet, ist meiner Meinung nach das Highlight des Films. Das Thema des weiblichen Begehrens und seiner vermeintlichen Sündhaftigkeit und damit verbundenen Unterdrückung so zentral in einem Vampirfilm zu sehen, hat mir die größte Freude an „Nosferatu“ beschert. Michi: Neuauflage des Horrorklassikers ist nichts für schwache Nerven

Mit der Neuauflage von „Nosferatu“ wagt sich Regisseur Robert Eggers an eine Hommage des Stummfilm-Meisterwerk von 1922, ohne dabei die Essenz des Originals zu verlieren. Stattdessen wird eine interessante Brücke zwischen dem Werk von Friedrich Wilhelm Murnau und den modernen Erwartungen an das Horrorgenre geschlagen.

Von Beginn an wird klar, dass der Film sich seiner Ursprünge bewusst ist: Die kinematografische Nutzung von Mondlicht erinnert an die ikonischen Schwarz-Weiß-Bilder des Originals und lässt die Zuschauer*innen in eine Welt eintauchen, die vertraut wirkt. Dabei nutzt Eggers bekannte Orte aus dem Filmklassiker, ohne dass diese wie reine Nostalgie daherkommen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass sich der Film ab und an zu sehr an dem Original orientierte und sich damit in einem zu eng gesteckten Rahmen bewegte.

Während im Original die nonverbale Ausdruckskraft der Darsteller*innen im Vordergrund steht, liegt der Fokus in der Neuverfilmung auf einem thematisch ausdrucksstarken Kontrast: Modernität versus Aberglaube. Besonders Friedrich, gespielt von Aaron Taylor-Johnson, verkörpert den Umbruch ins moderne Zeitalter und zeigt, dass in dieser „neuen“ Welt kein Platz für Okkultes ist und mysteriöse Gegebenheiten stets rationaler Erklärungen bedürfen.

Gehen Horrorfilme häufig darin auf, für unerklärliche Phänomene übernatürliche Antworten zu finden und auch für Zuschauende jeglichen Zweifel dahingehend auszuräumen, schafft es die Figur des Familienvaters, auch bei mir die Skepsis bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Für mich ist er während der gesamten Spieldauer damit die nachvollziehbarste und tatsächlich stärkste Figur.

Nichtsdestotrotz überzeugen auch die anderen Darsteller*innen auf ganzer Linie. Allen voran Bill Skarsgård. Dieser liefert in der Rolle des Grafen eine gleichermaßen fesselnde wie verstörende Performance ab. Seine Darstellung des blutsaugenden Antagonisten ist kraftvoll, wird jedoch gelegentlich durch seine schwer verständliche Sprechweise getrübt. Hier waren die Untertitel im Kino eine gute Hilfe.

„Nosferatu“ spielt gekonnt mit dem Aspekt von Leidenschaft, wie sie in Vampir-Filmen häufig thematisiert wird. Doch statt romantischer Sinnlichkeit dominieren hier rohe Gewalt und animalischer Trieb. Dies verstärkt nicht nur das Gefühl von Unbehagen, sondern war für mich neben den gut inszenierten Jump-Scares der eigentliche Horror. Die Neuauflage ist ein intensives Erlebnis, das gut auf der Leinwand funktioniert, meinem persönlichen Horrorgeschmack jedoch nicht ganz gerecht wird. Eileen: „Nosferatu“ ließ mein Gothic-Horror-liebendes Herz höherschlagen

Nachdem mir „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ mehrmals in meinem Filmwissenschaftsstudium begegnet war, war ich sehr gespannt auf Eggers‘ Neuauflage des Vampirklassikers – zumal ich auch ein passionierter Fan von Gothic-Horror bin. Und was die Gothic-Atmosphäre betrifft, wurde ich absolut nicht enttäuscht: Der Grusel wurde grandios inszeniert, sodass während meiner Sichtung eine Reihe typischer Horror-Affekte aufkamen, von Schrecken über sich aufstellende Nackenhaare bis hin zu Ekel.

Der Herausforderung, einen der Begründer des Horrorfilmgenres neu zu inszenieren, stellt sich Eggers wagemutig und gekonnt: Zum einen bleibt er dem Original treu, aber er baut die Geschichte in seinem Werk aus und fügt meiner Meinung nach erzählenswerte und ergänzende Elemente hinzu. Insbesondere der zentrale Charakter von Ellen Hutter, gespielt von Lily Rose-Depp, erhält notwendige Tiefe, was der Erzählung des Films nur zugutekommt.

Eggers‘ Darstellung ist insgesamt wesentlich expliziter als die von Murnau, da blutsaugende Vampire und Sexualität in den 1920er-Jahren nur eingeschränkt dargestellt wurden. Eggers‘ Version von „Nosferatu“ ist deutlich brutaler und Orlocks Begierde nach Ellen – sei sie nun von rein blutdurstiger oder sogar sexueller Natur – bildet das zentrale Motiv des Films. Besonders positiv überrascht hat mich das Ende des Films, das sich auch in dieser Hinsicht vom Original unterscheidet.

Die Besetzung enttäuscht ebenfalls nicht: Ich stimme meinen Kolleginnen Lucie und Michi zu, dass allen voran Lily Rose-Depp und Bill Skarsgård brillieren, aber an dieser Stelle würde ich gerne Nicholas Hoult hervorheben, dessen Darbietung mich zutiefst gefesselt hat. Auch Willem Dafoe konnte mich ein weiteres Mal köstlich unterhalten.

Dennoch hat mich „Nosferatu“ hungrig zurückgelassen. Trotz der Ergänzungen zum Original und der expliziteren Darstellung dürstete es mich nach mehr – nach einem weiteren Schritt hin zu noch ekelerregenderem und vielleicht noch verstörenderem Vampir-Horror. Insgesamt konnte Eggers‘ Werk mich jedoch bestens begeistern, weswegen ich euch einen Kinobesuch für „Nosferatu“ nur empfehlen kann. Mehr Gothic-Gruselstreifen wie diesen, bitte!

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