Giorgio Armani: "Ich bin nie zufrieden und stelle mich ständig selbst infrage"

Mit einer Vision hat Giorgio Armani den Mode-Stil von uns allen verändert – und ein Weltimperium aufgebaut. Zu seinem 90. Geburtstag spricht der Designer mit GALA über sein Leben.

Jul 13, 2024 - 22:30
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Giorgio Armani: "Ich bin nie zufrieden und stelle mich ständig selbst infrage"

Mit einer Vision hat Giorgio Armani den Mode-Stil von uns allen verändert – und ein Weltimperium aufgebaut. Zu seinem 90. Geburtstag spricht der Designer mit GALA über sein Leben.

Es ist schon dunkel in dieser lauen Sommernacht auf einer Dachterrasse in Mailand. Die wenigen Gäste plaudern, trinken ein Glas Champagner. Nur der Gastgeber sitzt nicht still, sondern wechselt in den Windlichtern die erloschenen Kerzen aus. Auch wenn diese Begegnung schon einige Jahre zurückliegt, bleibt sie unvergessen. Denn sie sagt viel aus über den damaligen Gastgeber Giorgio Armani. Er kümmert sich einfach um alles. Mit Vision und Willen hat sich der Designer ein Milliarden-Imperium aufgebaut. Bei seinen Shows ist er fit und fröhlich. Aufhören? Steht erst mal nicht an. Bis heute überlässt er nichts dem Zufall.

Giorgio Armani: "Ich bin nie zufrieden"

GALA: Signore Armani, ich habe ein Video von Ihnen gesehen. Es zeigt Sie im Schaufenster einer Ihrer Boutiquen, und Sie richten den Kragen der Schaufensterpuppe. Wie wichtig ist es Ihnen, ein Perfektionist zu sein?
Giorgio Armani: Sehr wichtig! Ich habe eine sehr ausgeprägte Arbeitsmoral. Ich bin nie zufrieden und stelle mich ständig selbst infrage, sonst würde ich untätig bleiben. Aber es ist auch anregend und gibt mir neue Energie. Mich hat schon immer der Gedanke angetrieben, dass ich es besser machen kann. Allerdings muss ich zugeben, dass ich in meinem Alter auch gelernt habe, mich mit großer Gelassenheit so zu akzeptieren, wie ich bin – mit allen meinen guten und schlechten Seiten.

Giorgio Armani mit seiner Schwester Rosanna Armani
Giorgio Armani verfolgt mit seiner Schwester Rosanna Armani 2019 gemeinsam ein Basketballspiel in Mailand.
© Emanuele Cremaschi

Wie schauen Sie auf Ihr Lebenswerk zurück?
Ich habe von Grund auf eine Marke aufgebaut, die heute Teil der kollektiven Vorstellungskraft ist. Mit meiner Vision von Stil als Lebensart wurde so ein Konzept nüchterner, solider Eleganz verwirklicht. Das macht mich glücklich, da es die Ergebnisse harter Arbeit sind. Gleichzeitig fühle ich die Verantwortung, meine Kunden nicht zu enttäuschen und meine Botschaft immer klar zu halten.

Gibt es dennoch Erreichtes, auf das Sie besonders stolz sind? 
Einen Stil geschaffen zu haben, den jeder sofort erkennt, gibt mir das Gefühl, etwas geschaffen zu haben, auf das ich stolz sein kann. Die Tatsache, dass meine Arbeit einen so starken und spürbaren Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen hatte, ist eine große Leistung. Und ein großer Ansporn, weiterzumachen. Ich ruhe mich nicht auf meinen Lorbeeren aus, ich schaue immer nach vorn und freue mich immer noch über Herausforderungen.

Giorgio Armani: "Einfachheit ist eines der am schwierigsten zu erreichenden Dinge"

Sie haben den Modestil von vielen für immer verändert und geprägt … 
Wissen Sie: Ich habe als Designer angefangen, bin im Laufe der Jahre zum Unternehmer geworden und habe meine Welt erweitert. Aber der Grundstein meines Stils ist eine Idee der Einfachheit mit, ich wage es zu sagen, einer humanistischen Perspektive, da ich mich auf die Person konzentriere. Einfachheit ist eines der am schwierigsten zu erreichenden Dinge, aber auch das nachhaltigste. Die Kleidung oder Möbel, die ich erschaffe, dienen dazu, Menschen zu bereichern, nicht sie zu tarnen oder zu ersticken. An diesen Grundsatz halte ich mich immer. All dem liegt eine gründliche Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Menschen sowie eine Vision zugrunde, die mich in den Anfängen noch dazu gebracht hatte, aus dem Rahmen zu fallen – und zu glauben, den Stil der Herren- und Damenbekleidung revolutionieren zu müssen.

Giorgio Armani und sien Hund
Giorgio Armani und sein Hund posieren während eines Interviews 1972 in der Mailänder Wohnung des Designers.
© Elisa V. Massai

Abgesehen von Ihrem immensen Einfluss auf die Mode – was sind die ganz persönlichen Höhepunkte Ihres Lebens?
Zweifellos das erste positive Feedback, als ich anfing. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hatte, Männer und Frauen von der Starrheit ihrer Kleidung zu befreien. Und dann die diversen Auszeichnungen, die mir bestätigten, dass mein Job immer auf dem richtigen Weg war. Ganz persönlich würde ich mit Sicherheit die Zusammenarbeit mit Richard Gere in „American Gigolo“ nennen. Ihn in den 1980ern einkleiden zu dürfen, eröffnete mir die Welt des Films. Und ganz sicher, dass mir die Università Cattolica del Sacro Cuore von Piacenza, meiner Heimatstadt, einen Ehrentitel verliehen hat. Das war ein weiterer Moment, den ich nie in meinem Leben vergessen werde.

Was fühlen Sie denn, wenn Sie auf der Straße jemanden sehen, der etwas von Ihnen trägt? 
Ich weiß, dass ich meinen Job gut gemacht habe, wenn eine Jacke oder ein Anzug der Person passt und das Designer-Etikett in den Hintergrund tritt, um Platz für die Person zu machen, die das Kleidungsstück trägt. Das ist mein einziges Ziel: Kleidung zu schaffen, die sich dem Körper des Trägers anpasst. Und die Idee, dass sie von mehreren Generationen getragen werden können, macht genau das zu einem konkreten Ziel.