Hape Kerkeling: Seine große Liebe starb an Aids
Wie wurde ich der, der ich bin? Kurz vor seinem 60. Geburtstag spricht Hape Kerkeling über seine tragische erste große Liebe, Homosexualität im Showbiz und seine Verwandtschaft zur Queen.
Wie wurde ich der, der ich bin? Kurz vor seinem 60. Geburtstag spricht Hape Kerkeling über seine tragische erste große Liebe, Homosexualität im Showbiz und seine Verwandtschaft zur Queen.
"Das muss ich Ihnen zeigen", sagt Hape Kerkeling, 59, und zieht das Smartphone aus seiner Jeans. Er sucht die passenden Fotos, reicht das Handy rüber und tatsächlich: Die Ähnlichkeit seines Vaters mit dem englischen König Edward VII. ist verblüffend – das längliche Gesicht, die Augenpartie. Edward VII. (1841 bis 1910), das erzählt der Entertainer in seinem neuen Buch "Gebt mir etwas Zeit", ist sein Urgroßvater (und übrigens zugleich der Urgroßvater der Queen). Ein Mann, der viele uneheliche Kinder zeugte, eines davon: Kerkelings Oma Bertha, die das Geheimnis bewahrte.
GALA: Herr Kerkeling, da Sie jetzt ja Teil der englischen Königsfamilie sind, muss ich Sie natürlich als Erstes fragen: Werden sich Harry und William je versöhnen?
Hape Kerkeling: Ich bin ja nun nicht so nah verwandt, dass ich mich da einmischen sollte. Aber es interessiert mich natürlich. Ich denke, Oma Elizabeth hält schützend ihre Hand darüber. Und das hat so eine Kraft, dass die beiden sich auf Dauer versöhnen müssen.
Und Ihre Expertenprognose zur Ehe von Meghan und Harry?
Also, mein Mann ist pessimistischer als ich. (lacht) Ich bleibe da offener.
Ahnenforschung klingt erst mal trocken. Aber Sie haben spannende Geschichten daraus gemacht. Brüten Sie die allein aus?
Alles im Dialog mit meinem Mann. Wir haben alles durchgekaut und debattiert. Bei den Geschichten ist es tatsächlich so, dass alles auf Fakten und auf Urkunden basiert. Ich hatte die Eckdaten und wusste, was passiert ist. Wie es dazu gekommen ist, das habe ich versucht, mit Leben zu füllen. Man entwickelt da so einen Miss-Marple-Eifer.
Sie teilen außerdem erstmals eine sehr bewegende Liebesgeschichte mit der Öffentlichkeit: Kurz nachdem Sie 1987 den Niederländer Duncan kennengelernt hatten, bekam er die Diagnose, dass er HIV-positiv ist. Duncan starb zwei Jahre später. Sie schreiben in Ihrem Buch aber nicht darüber, wie Sie mit dem Verlust Ihrer großen Liebe weitergelebt haben. Warum?
Ich versuche zu schildern, wie es mir hätte gehen können. Und was man vermutet, ist sicher auch so: Das war mit die schwerste Zeit meines Lebens.
Fühlt sich der Beruf des Komikers in solchen Momenten falsch an? Oder hilft er durch Krisen?
Für mich war der Beruf immer der richtige. Weil: Auch an Tagen, an denen es mir mal nicht so gut ging, mir aber ein Vertrag vorgeschrieben hat, auf der Bühne zu stehen, hat ein erwartungsvolles Publikum mit freudigem Lachen dafür gesorgt, dass es mir am Ende besser ging. Es ist ja nicht so, dass ich mich auspowere für mein Publikum, sondern ich bekomme auch etwas zurück.
Sie schreiben: "In der Regel ist die Seele mit einem wundervollen Abwehrsystem ausgestattet, denn sie verweigert sich dauerhaftem Unglück einfach."
Es ist meine tiefe Überzeugung, dass der Mensch nicht angelegt ist, dauerhaft unglücklich zu sein, es sei denn durch Krankheit, etwa Depression.
Sie erzählen so persönlich wie noch nie von Ihrer Sexualität. Zum Beispiel, wie Sie als junger Mann in einem Amsterdamer Gay-Club fasziniert, aber auch befremdet sind. An einer Stelle sagen Sie: "Ich bin ein spießiger Schwuler ..."
Und das meine ich nicht mal ironisch.
Geht es auch darum, Klischees zu entkräften? Viele Menschen denken immer noch: Die tragen ja alle Ledertangas...
Abgesehen davon, dass mir ein Ledertanga weder gut passen noch stehen würde, würde ich mich darin auch nicht wohlfühlen. Ich fand, es ist an der Zeit, zu beschreiben, wie es in den Achtzigerjahren war. Damals hatte ich gar nicht das Gefühl, dass das so schwierig ist. Aber im Nachhinein klopfe ich mir auf die Schulter, dass ich da einigermaßen gut durchgekommen bin. Und es geschafft habe, zu mir als Person zu stehen, und dazu gehört nun auch mal die eigene Sexualität.
Es ist auch die Aufforderung an jeden Menschen, zu sich selbst zu stehen und zu seiner eigenen – ich nenne das – göttlichen Natur.
In den Achtzigern war ein schwuler Medienstar tabu, anders als heute ...
...doch, das ist auch heute noch ein Tabu. Da wird kein Fernsehverantwortlicher an einen herantreten und sagen: "Sie bekommen die Sendung nicht, weil ...", aber im Hintergrund wird gegen die betreffende Person gearbeitet. Zwar hat sich mit der Zeit geändert, wie auf Homosexualität geschaut wird, aber das wird nie Mainstream.
Also hat Sie die gewaltige Medienresonanz auf das Coming-Out von Ralf Schumacher nicht überrascht? Man könnte doch denken, das sei heute keine große Sache mehr.
So wäre es in einer gesunden Gesellschaft. In Skandinavien oder den Niederlanden würde so eine Schlagzeile nicht so verfangen wie in Deutschland.
In jungen Jahren wurden Sie beim WDR gedrängt, eine Scheinbeziehung zu einer Frau einzugehen. Wie muss man sich das vorstellen: Hat jemand Ihnen konkrete Vorschläge gemacht, A, B oder C würden gut zu dir passen?
Ja, ja! Also nicht A, B, C, aber ich hatte die Wahl zwischen einer Frau. (lacht) Tatsächlich hat ein Redakteur mir vorgeschlagen, ein erstes großes Interview zu geben, in dem ich dann behaupten sollte, dass ich mit der Dame ein Verhältnis habe. Aber ich habe gesagt: Nein, ich werde meine Karriere nicht auf so einem Lügengerüst aufbauen.
Und haben Sie mal mit der Dame darüber gesprochen?
Die Dame ist bis heute meine beste Freundin. (lacht) Sie hätte das auch gemacht, um sich schützend vor mich zu stellen, aber dann haben wir gemeinsam beschlossen: Nee, das lassen wir. Weil es auch für sie blöd gewesen wäre. Sie war schließlich auf der Suche nach einem richtigen Partner.
"Ich will alles, aber eben nicht dazugehören“, schreiben Sie. Aber im Showbiz lebt man doch davon, geliebt zu werden?"
Darüber habe ich so nie nachgedacht. Mein Papa, der hatte so einen natürlichen Charme. Davon habe ich – und das ist keine Koketterie – vielleicht zehn Prozent geerbt. Der kam in einen Raum, und alle riefen: Ahhh! Aber ich betrachte eben alles, wobei man uniformiert sein, sich einreihen und blind mitmachen muss, mit Distanz.
Im Dezember werden Sie 60 ...
Nächste Frage. (lacht)
Wie werden Sie feiern?
Ich weiß es noch nicht. Ich hatte ein Problem damit, 30 zu werden, aber alles danach, 40, 50, 60...Ich peile jetzt mal entspannt die 70 an.