Vanessa Mai: Vanessa Mai: "Da ist die Hand ein bisschen zu weit runtergerutscht"
Übergriffige Situationen kennt leider jede Frau – so auch Sängerin Vanessa Mai. Im GALA-Interview spricht sie über Belästigung in der Öffentlichkeit und was man dagegen tun kann.
Übergriffige Situationen kennt leider jede Frau – so auch Sängerin Vanessa Mai. Im GALA-Interview spricht sie über Belästigung in der Öffentlichkeit und was man dagegen tun kann.
"Es gibt Leute, die denken, dass sie dich mit dem Ticketkauf für eine Show gleich mitgekauft haben", erzählt Vanessa Mai, 32, im Interview mit GALA. Schon seitdem sie 20 Jahre alt ist, steht die deutsche Sängerin im Rampenlicht – anfangs noch mit der Schlagerband "Wolkenfrei", heute als erfolgreiche Solo-Künstlerin. Gemeinsam mit L'Oréal Paris setzt sie sich als Gesicht der Initiative "Standup – gegen Belästigung in der Öffentlichkeit" dafür ein, ein sicheres Umfeld für alle zu schaffen.
Als bekannte Musikerin hat Mai selbst viel engen Kontakt mit Menschen, die teilweise auch mal ihre Grenzen überschreiten. Wie sie sich dagegen wehrt und in welcher Situation ihr ein Fan erst vor Kurzem zu nahe kam, verrät Vanessa im Interview.
Vanessa Mai: "Belästigung muss nicht unbedingt körperlich sein"
GALA: Wo fängt bei Ihnen persönlich Belästigung an?
Vanessa Mai: Wenn sich etwas nicht gut anfühlt, dann vertraue ich auf dieses ungute Gefühl. Belästigung muss nicht unbedingt körperlich sein, es kann auch verbal sein. Es beginnt mit dem Übertreten von persönlichen Grenzen und wenn man in den persönlichen Raum von jemandem eindringt.
Wie kann man als außenstehende Person am besten eingreifen, wenn ich mitbekomme, dass jemand belästigt wird?
Es gibt die sogenannte 5D-Methode, um gegen Belästigung in der Öffentlichkeit vorzugehen. Das letzte "D" steht für "Direct!", also das direkte Ansprechen der Person, was ich am besten finde. Man muss zwar wirklich mutig sein, aber im Grunde ist es die einfachste Methode, um auf etwas aufmerksam zu machen – natürlich kommt es auch darauf an, wie gefährlich eine Situation ist und dass man sich selbst nicht in Gefahr bringt.
Was auch immer gut ist und etwas einfacher: das Ablenken. Man kann die Person, die belästigt wird, einfach ansprechen und fragen, wie viel Uhr es ist oder in das Gespräch reinquatschen. Dieses Überraschungsmoment kann man dann nutzen, um der Person aus der Situation herauszuhelfen und ihr ein gutes Gefühl zu geben.
Mit Anfang 20 sind Sie in die Band "Wolkenfrei" eingestiegen und damit auch in die Musikbranche. Wie war das als junge Frau? Gab es Momente, in denen rückblickend Ihre Grenzen überschritten wurden?
Ja, voll! Rückblickend gab es viele Momente, in denen ich es nicht direkt realisiert habe, aber mich schon echt unwohl gefühlt habe. Deswegen sollte man immer auf sein Gefühl vertrauen, das ist nie falsch.
Die Sängerin erlebt übergriffigen Moment mit einem Fan
Sie haben als Musikerin eine große Fangemeinde. Inwiefern kann Fan-Liebe auch mal zu weit gehen?
Es gibt Leute, die denken, dass sie dich mit dem Ticketkauf für eine Show gleich mitgekauft haben. Erst kürzlich bei einem Meet and Greet ist die Hand eines Mannes beim Knipsen eines Fotos ein bisschen zu weit runtergerutscht. Da habe ich sofort gesagt: 'Nimm die Hand hoch auf die Schulter' und er hat sich richtig erschrocken.
Er hat wahrscheinlich nicht erwartet, dass ich das so selbstbewusst und laut anspreche. Das kann ich heute. Wenn er dann natürlich noch einen Schritt weiter gegangen wäre, hätte ich die Situation sofort aufgelöst. Da bin ich auch unverfroren und mache es so, dass es wirklich jeder mitbekommt und es richtig unangenehm für die Person wird. Ich bin es aber mittlerweile gewohnt, viel engen Kontakt mit Menschen zu haben und bei eigenen Events bin ich eh in meinem Safe Space.
Wie ist es außerhalb Ihres Safe Spaces?
Ich glaube, diese Art von Belästigung, die im Alltag bei Tageslicht ganz nebenbei passiert, ist die, die jede Frau kennt. Man sucht den Fehler danach oft bei sich und schämt sich, obwohl genau das falsch ist. Es ist nie deine Schuld, wenn du belästigt wirst, egal, welches Outfit du trägst oder wie du aussiehst. Zum Thema Klamotten kann ich natürlich ein Buch schreiben – Kommentare, dass ich zu freizügig angezogen bin, bekomme ich ständig.
Vanessa Mais Ehemann ist ein Feminist
Wie haben Sie dieses Selbstbewusstsein, sich zu wehren aufgebaut?
Das entwickelt sich. Natürlich musst du da leider Erfahrungen sammeln, du musst dich selbst erstmal kennenlernen. Wichtig ist, dass man für sich selbst klare Grenzen absteckt – und das muss man sich auch ein bisschen antrainieren. Also man kommt jetzt nicht so auf die Welt. Ich war auch nicht immer so selbstbewusst.
Würden Sie sagen, dass Ihr Ehemann Andreas Ferber ein Feminist ist? Ist Ihnen das wichtig?
Ja, wir sind da voll auf einer Wellenlänge.
Ich kenne das Gefühl nicht, dass mein Ehemann etwas total anders sieht als ich. Wir sprechen über alles offen.
Ich glaube, es ist schon schlimm, von seinem Partner oder seiner vertrauten Personen Dinge hören zu müssen, wie "Stell dich nicht so an!" oder "Ach, tu jetzt mal nicht so". Bei uns ist das zum Glück nicht so.
Emotionaler Appell an kleines Mädchen
Wie ist das mit anderen Personen in Ihrem Umfeld?
Ich glaube, es ist eher so ein Generationsding. Wenn man mit Personen aus anderen Generationen am Tisch sitzt, merkt man, dass es früher alles ein bisschen anders war als heute. Umso schöner ist es aber zu sehen, was für einen Erfolg man schon eingefahren hat. Also gerade die neuen Generationen gehen ja ganz anders mit dem Thema um. Ich kenne Männer, die ganz vorsichtig sind und sagen: "Ach, ich weiß ja schon gar nicht mehr, was ich noch machen darf." Da denke ich mir: Lieber das als anders.
Viele kleine Mädchen schauen zu Ihnen auf, was man auch auf ihrem Instagram-Account sehen kann, wenn Sie Ihre Fans während eines Konzerts auf die Bühne holen. Was würden Sie ihren Fans gerne mitgeben wollen?
Ein kleines Mädchen hat mir auf der Bühne mal gesagt, dass sie etwas Bestimmtes angezogen hat, um mir zu gefallen. Dann habe ich ihr gesagt: "Niemals darfst du etwas machen, nur um anderen zu gefallen." Das ist so wichtig. Natürlich kann man jetzt auch nicht mit erhobenem Mittelfinger durch die Welt rennen. Es gibt immer noch Regeln, aber man muss sich einfach mit sich selbst wohlfühlen. Mir ist auch der Support unter Frauen total wichtig, dass wir noch mehr zusammenhalten: Weniger Neid, weniger Eifersucht, weniger vergleichen.