"XY gelöst"-Moderator Sven Voss: "Es gibt Tage, da frage ich mich: Wie komme ich jetzt damit klar?"
In "XY gelöst" begibt sich Moderator Sven Voss an die Tatorte schwerster Verbrechen. Er spricht mit Komissar:innen und Staatsanwaltschaft und rekonstruiert Straftaten, die für lange Zeit als unlösbar galten. Wie sehr ihn solche Fälle persönlich tangieren und was für ihn der schwierigste Part seines Jobs ist, darüber hat er mit GALA gesprochen.
In "XY gelöst" begibt sich Moderator Sven Voss an die Tatorte schwerster Verbrechen. Er spricht mit Komissar:innen und Staatsanwaltschaft und rekonstruiert Straftaten, die für lange Zeit als unlösbar galten. Wie sehr ihn solche Fälle persönlich tangieren und was für ihn der schwierigste Part seines Jobs ist, darüber hat er mit GALA gesprochen.
Die True-Crime-Reihe "XY gelöst" befasst sich mit Verbrechen, die nach der Ausstrahlung in "Aktenzeichen XY… Ungelöst" endlich das letzte Puzzleteil erhielten. Moderator Sven Voss, 47, klärt dabei noch offene Fragen und wendet sich dafür an die Polizei sowie Spezialist:innen. Wie kamen die Ermittler:innen auf die Spur? Welcher Zeuge gab den entscheidenden Hinweis?
Eine Frage, die bei solchen Fällen oftmals schockiert und gleichzeitig fasziniert: Was für ein Mensch steckt hinter einem abscheulichen Verbrechen? Kriminalpsychologin Lydia Benecke, 41, vermittelt in "XY gelöst" ihr Fachwissen und gibt Einblick in die Abgründe der menschlichen Psyche. Im Interview mit GALA haben Sven Voss und Lydia Benecke über die Faszination True Crime gesprochen und wie sie persönlich nach Drehschluss mit den harten Fakten umgehen.
"XY gelöst"- Moderator Sven Voss ist selbst Familienvater
GALA: Wie erklären Sie die Faszination um True Crime?
Lydia Benecke: Die Faszination für dieses Themengebiet ist nicht neu. Wenn man sich die menschliche Kultur anschaut, dann haben Menschen schon immer miteinander über schwere Straftaten gesprochen. In den alten Zeiten wurde es mündlich überliefert und später gab es auch schriftliche Darstellungen von Verbrechen. Man sieht, dass Menschen sich schon immer dafür interessiert haben. Das kann man auf unterschiedliche Faktoren zurückführen. Schwere Verbrechen lösen starke Emotionen aus und viele fragen sich: "Wieso kommt es eigentlich dazu?" Die Erfahrung zeigt, dass Menschen bei schweren Verbrechen sagen: "Das kann ja niemand wie ich sein, weil ich so etwas nicht tun würde." Deshalb werden solche Taten auch als "unmenschlich" bezeichnet, als könne kein Mensch sie begangen haben – das zeigt ja schon eine gewisse Distanzierung. Deshalb wurden früher aus realen Verbrechen Legenden über "Monster" und "Bestien". Worte, die wir bis heute in Berichterstattung über Verbrechen wiederfinden.
Sven Voss: Ich glaube, es ist nicht nur der Blick durchs Schlüsselloch, sondern das Gruseln aus sicherer Entfernung. Menschen, die sich True-Crime-Fälle und "XY gelöst" anschauen, für die geht es nicht immer nur um diese Effekthascherei oder das Sehen von Grausamkeiten, sondern sie versuchen in die Lage zu versetzen: "Was würde ich an der Stelle tun?" Als Zeuge oder als jemand, der in ein Verbrechen hineingerät. Und da sehen wir bei "XY gelöst" oder anderen Formaten auch den aufklärerischen Aspekt. 27: Diese drei Fälle sind unvergessen - spoton_article_1061404
Das Stichwort "sichere Distanz" ist sehr spannend. Sie beide bauen Nähe zu Kriminalfällen auf. Schaffen Sie es, dass diese Fälle Sie nicht persönlich tangieren?
Sven Voss: Das kann ich auf keinen Fall trennen. Für Lydia ist es Alltag. Als Kriminalpsychologin hat sie anders mit solchen Fällen zu tun. Ich habe eine andere Rolle bei "XY gelöst". Ich bin der neugierige Beobachter, der Journalist, der versucht, Erklärungen zu finden. Ob von Ermittlern oder Ermittlerinnen, Staatsanwälten oder eben von Lydia als Kriminalpsychologin. Aber ich nehme diese Fälle natürlich in irgendeiner Art mit nach Hause. Das fällt mir auch nicht immer leicht, denn viele Dinge – warum tut ein anderer jemandem so etwas an – kann man nicht erklären. Und die Frage: Gibt es eine absolute Sicherheit vor Verbrechen? Die muss man mit Nein beantworten. Es gibt Tage, da komme ich vom Dreh nach Hause und denke: Wie komm ich jetzt damit klar? Da hilft vor allem Reden – insbesondere mit den Profis. Da gehört natürlich Lydia dazu, die ich frage, wenn ich etwas überdenke oder nicht verstehe. Da bekomme ich eine Antwort – und das hilft mir.
Lydia Benecke: Bei mir ist es so, dass ich mich hauptberufliche mit solchen Fällen beschäftige und ich mit zumeist männlichen Straftätern in meinem Kernjob in zwei Institutionen arbeite. In der Sonderform von JVA, die man Sozialtherapeutische Anstalt nennt, und der Ambulanz für Menschen, die Sexualstraftaten begehen. Dort habe ich in meinem alltäglichen Job mit Verbrechen auf eine andere Art zu tun als bei "XY gelöst". Ich arbeite dann eine lange Zeit mit Menschen, die solche Verbrechen begangen haben.
Sven Voss: Ich kriege manchmal Briefe geschrieben. Einmal schrieb ein Straftäter: "Das, was sie neulich berichtet haben, stimmt alles nicht. Ich habe meine Frau nicht umgebracht." Er hat das alles mit Schreibmaschine geschrieben und legte auch noch ein paar Akten zu. Also da wird mir schon anders, wenn ich so etwas bekomme. Auch darüber habe ich mit Lydia gesprochen. Mordfälle in Hollywood
Was ist für Sie der schwierigste Part bei den Arbeiten an Kriminalfällen?
Sven Voss: Für mich ist das Schwierigste, dass wir vor Ort sind. Wir versuchen bei "XY gelöst" an den Fundorten, den Tat- und Abgreiforten zu sein. Diese Identifikation mit dem Verbrechen, das stattgefunden hat an Ort und Stelle, das kostet eine gewisse Überwindung. Im Übrigen nicht nur für mich als Journalist, sondern auch für die Kommissarinnen und Kommissare, die dort vielleicht den Fall ihres Lebens behandelt haben und dann an diesen Ort zurückgehen. Manchmal zum ersten Mal, seit es passiert ist. Die ganze Emotionalität, die in solch einem Fall hängt, die spürt man dann oft in diesem ersten Moment wieder. Das ist auch ein Vertrauen, was die unserer Sendung gegenüber erbringen.
Lydia Benecke: Ich habe keine Punkte, an denen ich etwas schwierig finde. Um zu erklären, wie ich an das Projekt herangehe: Ich schaue mir die harten Fakten an, das Urteil, die Details, die wir kennen und für mich ist jedes Verbrechen wie ein Sudoku. Ich sehe die Faktoren und ich habe die wissenschaftliche Grundlage, um sie einzuordnen. Am Ende habe ich ein Bild und kann sagen mit welchen psychologischen Variablen die Faktoren zusammenhängen. Und so werden die Elemente des Falls psychologisch erklärbar. Wobei wir immer sagen, dass eine Erklärung keine Entschuldigung ist. Das ist mein Lieblingssatz.
Die True-Crime-Reihe "XY gelöst" mit Sven Voss wird am 29. Mai 2024 ab 20:15 Uhr in Doppelfolge im ZDF ausgestrahlt. In der ZDFmediathek sind alle vier Folgen der aktuellen Staffel jederzeit abrufbereit.