Neue Doku-Reihe "Herbstresidenz": André Dietz über den herausfordernden Dreh
André Dietz erzählt im Interview, was ihn bei der neuen Doku-Reihe "Herbstresidenz" besonders bewegt hat.

André Dietz erzählt im Interview, was ihn bei der neuen Doku-Reihe "Herbstresidenz" besonders bewegt hat.
In der VOX-Doku-Reihe "Zum Schwarzwälder Hirsch" setzten sich Schauspieler André Dietz, 49, und Profikoch Tim Mälzer, 54, dafür ein, dass Menschen mit Down-Syndrom einen Monat lang in einem Restaurant möglichst selbstständig in den Bereichen Service und Küche arbeiten konnten. Jetzt folgt das nächste Projekt: In der Doku-Reihe "Herbstresidenz mit Tim Mälzer und André Dietz" (ab 5. März, 20:15 Uhr bei VOX, auch auf RTL+) werden Seniorinnen und Senioren in einem Caritas-Pflegeheim von Menschen mit Behinderung gepflegt. In diesem Rahmen können die jungen Pflegeneulinge eine Qualifizierung zum Alltagshelfer absolvieren und so eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt finden.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt "AWZ"-Darsteller André Dietz, welche berührenden Momente er im Pflegeheim erlebt hat, warum die Drehzeit für seine Familie zur Herausforderung wurde, was er sich für seine Tochter mit dem Angelman-Syndrom wünscht und wie er sich sein eigenes Leben im Alter vorstellt.
Nach "Schwarzwälder Hirsch" haben Sie nun das Projekt "Herbstresidenz" umgesetzt. Wie haben sich die beiden Projekte in der Herangehensweise unterschieden?
André Dietz: Aus meiner Sicht gab es erst einmal keinen Unterschied. Beide Projekte bedeuteten für mich einen Sprung ins kalte Wasser. Einfach machen ohne genau zu wissen, was mich erwartet. Ich musste mich auf eine Gruppe von Menschen einstellen, sie führen und mich gleichzeitig von ihnen führen lassen.
Welche Formen von Beeinträchtigung haben die Pflegeazubis und wie wurden sie für die Sendung ausgewählt?
Dietz: Wir haben Tausende von Bewerbungen erhalten. Die Art oder Ausprägung der Behinderung war dabei weder ein Ausschluss- noch ein Einstellungskriterium. Entscheidend war der Mensch und sein Charakter - genau so, wie es in einer inklusiven Gesellschaft sein sollte.
Welche Vor- und Nachteile haben sich bei der Integration von Menschen mit Behinderung im Pflegeberuf bei dem Projekt herauskristallisiert?
Dietz: Wir haben oft gespiegelt bekommen, dass die Behinderung gar keinen Unterschied macht zu den anderen Einsteigern in den Pflegeberuf. Sie waren insgesamt eher motivierter und haben den Menschen vor Ort extrem schnell viel Liebe und Zuneigung gegeben, wo andere vielleicht Hemmungen gehabt hätten.
In einem Ausschnitt der Sendung ist zu sehen, wie die Pflegeneulinge beim Waschen der Senioren Probleme mit dem Eindringen in die Privatsphäre haben. Was waren weitere große Herausforderungen für beide Seiten?
Dietz: Anfangs hatten einige Pflegeneulinge Schwierigkeiten, in die Privatsphäre der Seniorinnen und Senioren einzudringen - genau wie ich an meinem ersten Tag. Ich hatte einen Crash-Kurs in Pflege bekommen und sollte plötzlich eine mir bis dato fremde, nackte ältere Dame waschen. Das erfordert Überwindung. Doch die größere Herausforderung lag bei den Heimbewohnern selbst. Sie hatten oft mehr Berührungsängste als unsere Azubis. Doch nach fünf Minuten im ersten Kontakt waren alle Schranken abgebaut.
Welche besonders berührende Momente haben Sie während der Zeit erlebt?
Dietz: Ein Thema, das mich besonders bewegt hat, war der Umgang mit dem Tod. Eine Teilnehmerin kam völlig aufgelöst zu mir, nachdem sie eine verstorbene Bewohnerin noch einmal besucht hatte. Es ging ihr nicht nur darum, dass die Frau gestorben war, sondern darum, dass die Blumen in ihrer Hand nicht schön genug waren. Ihre Lösung? Sie pflückte frische Blumen aus dem Blumenkasten eines Balkons und brachte ihr einen schöneren Strauß - eine rührende Art der Trauerbewältigung.
Wie haben Sie den Dreh und Ihren Familienalltag, zu dem Ihre Tochter mit dem Angelman-Syndrom und drei weitere Kinder zählen, unter einen Hut bekommen?
Dietz: Die Drehzeit war eine große Herausforderung für meine Familie - vor allem für meine Frau. Der Schlaf meiner Tochter Mari hatte sich nochmals verschlechtert, sodass ich oft abends nach dem Dreh noch zwei Stunden nach Hause fuhr und morgens früh wieder los musste. Neben Mari haben wir ja außerdem noch drei weitere Kinder, die ihren Papa brauchen. Ich habe versucht, mindestens zwei bis drei komplette Tage pro Woche zu Hause zu sein.
Im RTL-Interview sagen Sie über Ihre Motivation für das Projekt: "Ich möchte meiner Tochter mit Behinderung eine Zukunft bereiten, in der alle Menschen gleich sind, und vor allem die gleichen Chancen haben." Wie erleben Sie das Thema Inklusion bei Ihrer Tochter, wo klappt sie und wo nicht und was wünschen Sie sich dahingehend für die Zukunft?
Dietz: In unserem sozialen Leben funktioniert Inklusion gut - aber wir sind auch das Sprachrohr für unsere nicht-sprechende Tochter. Wenn uns jemand "schief anschaut", sprechen wir ihn an, und jedes dieser Gespräche verläuft positiv. Dennoch wird Mari wahrscheinlich nie arbeiten können, da ihre geistige und körperliche Behinderung zu stark ausgeprägt ist. Ich setze mich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung überall selbstverständlich dazugehören, weil das für alle ein Gewinn ist - also auch für meine Tochter.
Inwiefern hat sich Ihre Sicht auf den Pflegeberuf durch das Experiment verändert?
Dietz: Es ist ein absoluter Wahnsinn, was jeder einzelne des Pflegepersonals, den ich kennenlernen durfte, leistet. Doch durch den Pflegenotstand bleibt ihnen oft kaum Zeit für menschliche Nähe. Das ist nicht nur für die Bewohner schlimm, sondern stellt auch das eigentliche Versprechen des Pflegeberufs infrage. Es macht mir Angst, dass die Schere zwischen Personal und Pflegebedürftigen immer weiter auseinandergeht.
Denken Sie jetzt auch anders über Ihr eigenes späteres Leben im Alter, was wünschen Sie sich dafür?
Dietz: Mir ist es egal, wo ich alt werde - Hauptsache, es ist ein Ort, den ich als Zuhause empfinde, an dem ich am Leben teilhaben kann und Menschen um mich herum habe, die ich liebe.
Was muss sich ändern, damit das Experiment im Altenzentrum St. Nikolaus in Bernkastel-Kues nicht nur ein Vorzeigeprojekt bleibt ohne Nachahmer?
Dietz: Es braucht nicht viel, um unser Konzept weiterzuführen - wir haben es bewiesen. Die Caritas hat bereits signalisiert, dass sie das Modell übernehmen will. Vielleicht finden sich weitere Nachahmer. Es ist nicht schwer, man muss es nur wollen!
Inwiefern spielt die "Herbstresidenz" heute noch eine Rolle in Ihrem Leben, treiben Sie die Bemühungen weitere voran, stehen Sie noch in Kontakt mit Verantwortlichen/Pflegern/den Azubis?
Dietz: Wir - die Produktionsfirma Vitamedia und ich - haben noch immer Kontakt zu allen Teilnehmern der Projekte und deren Angehörigen. Wir wissen, wie es ihnen ergangen ist und wie ihr Weg weitergeht. Alle haben meine Nummer, und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens eine Nachricht von einem der inzwischen 23 extrem coolen Menschen bekomme. Die Projekte sind also nachhaltig und werden es bleiben.