Das biologische Alter: Darum halten Sex und Zahnseide jung

Wie bleibt man jung und fit? Dr. Dr. Michael Despeghel, Autor von "Die BioAge-Challenge", verrät im Interview, auf was es ankommt.

Feb 12, 2025 - 21:17
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Das biologische Alter: Darum halten Sex und Zahnseide jung

Wie bleibt man jung und fit? Dr. Dr. Michael Despeghel, Autor von "Die BioAge-Challenge", verrät im Interview, auf was es ankommt.

Wer sich jung und fit halten will, hat das selbst in der Hand. "80 Prozent sind Qualität und Quantität der Lebensstilführung", erklärt Dr. Dr. Michael Despeghel. Der Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperte hat zusammen mit Prof. Dr. Karsten Krüger das Buch "Die BioAge-Challenge: Dein Alter bestimmst du selbst!" (GU) veröffentlicht. Im Interview verrät er, wie er selbst im "BioAge"-Test abschneidet und wie Sex, Zahnseide und Freunde dazu beitragen, das biologische Alter zu senken.

In Ihrem neuen Buch "Die BioAge-Challenge" geht es um das biologische Alter. Verraten Sie, wie sich das bei Ihnen von Ihrem kalendarischen Alter unterscheidet?

Michael Despeghel: Ich habe die volle Punktzahl und kann davon ausgehen, zehn Jahre jünger zu sein, als es in meinem Pass steht.

Das biologische Alter zeigt, wie fit und gesund der Körper unabhängig vom Geburtsdatum ist. Sind zehn Jahre Unterschied zum kalendarischen Alter der bestmögliche Fall?

Despeghel: Zwischen zehn und zwölf Jahre sind möglich. Das hängt auch vom Alter ab, in dem man den Test vornimmt, denn da spielen die Lebensjahre mit rein. Das biologische Alter kann auch um bis zu zwölf Jahre höher liegen als das kalendarische. Das Problem ist, dass das bei vielen Menschen der Fall ist, mit weitreichenden Folgen: 40 Prozent weniger Krebserkrankungen und 50 Prozent weniger Herzkreislauferkrankungen wären in Deutschland möglich. Erreichbar wäre das, wenn mehr Menschen die Grundlagen erfüllten: Es geht darum, das Körpergewicht normal zu halten, den Bewegungsmangel auszugleichen, nicht zu rauchen und auf die Quantität und Qualität der Ernährung zu achten. Das schaffen derzeit nicht mal 30 Prozent. Unterdessen gibt es Fachleute, die sich damit beschäftigen, wie Menschen älter als 100 oder 110 werden - mit progressiven Methoden wie Zellstruktur-Veränderungen, Sauerstoffzelten oder Blutbehandlungen. Aus meiner Sicht macht es aber nur Sinn, über so etwas nachzudenken, wenn die Basis-Hausaufgaben gemacht sind.

Wie weit hängt das biologische Alter von der genetischen Ausstattung ab und wie viel Prozent bestimmt der Lebensstil?

Despeghel: Die genetische Veranlagung macht nicht einmal 20 Prozent aus. 80 Prozent sind Qualität und Quantität der Lebensstilführung. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, der jedem ermöglicht, jederzeit etwas zu verändern. Es geht nicht nur darum, die Quantität des Lebens zu optimieren, sondern vor allen Dingen die Qualität. Das bedeutet für Menschen von 70 oder 80 Jahren beispielsweise, im Alltag mobil zu sein und Körperhygiene alleine umsetzen zu können. Das Alter ist nur dann "spaßig", wenn man in der Lage ist, sich alleine zu versorgen. Die Möglichkeiten dazu sind dramatisch besser, wenn der Lebensstil optimiert ist.

In Ihrem Buch gibt es einen Test, mit dem das biologische Alter bestimmt werden kann. Darin stellen Sie unter anderem auch Fragen zu den Themen Sexualität und der Nutzung von Zahnseide. Sind das Bereiche, die das Leben verlängern können?

Despeghel: Ein erfülltes Sexualleben wirkt sich positiv auf das Immunsystem aus. Denn das profitiert von allem, was glücklich und zufrieden macht, und beim Sex werden Endorphine und das "Bindungshormon" Oxytocin ausgeschüttet. Das Immunsystem wiederum ist in Bezug auf Tumorerkrankungen sehr wichtig. Es ist der Wächter, der toxische Zellen, die sich jeden Tag bilden, im Alter vermehrt, erkennt und vernichtet. Sexualität ist also eine gute Möglichkeit, das Immunsystem zu trainieren.

Bei der Zahnseide geht es um die Reinigung der Zahnzwischenräume. Das schafft die Zahnbürste nicht. Dadurch können Mikroentzündungen entstehen, die nicht auf die Mundhöhle beschränkt bleiben, sondern sich auch im Gefäßsystem wiederfinden. Das Risiko für einen Schlaganfall ist um das Vierfache erhöht, wenn eine dauerhafte Entzündung der Mundhöhle vorliegt. Das Risiko für Typ-2-Diabetes steigt um das Achtfache. Dem kann man vorbeugen, in dem man täglich Zahnseide oder noch besser Interdentalbürsten benutzt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, um fit zu bleiben, ist die Ernährung. Was gibt es hier zu beachten?

Despeghel: Es geht um eine entzündungsarme Ernährung, die außerdem den Zuckerstoffwechsel nicht ständig reizt. Um das hinzubekommen, ist es einerseits wichtig, Pausen beim Essen zu haben. Ich empfehle dazu das Intervallfasten mit möglichst langen Zeiträumen zwischen den Mahlzeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, die Makronährstoffe zu beachten: Kohlenhydrate, Protein und Fett. Vor allem Protein ist ein bedeutender Parameter: Wenn man unter 50 Jahre alt ist, sollte man pro Tag 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht zu sich nehmen, über 50 Jahre 1,5 Gramm Eiweiß. Das kann in Form von Milchprodukten sein, aber auch Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte sowie Fisch und Fleisch liefern Eiweiß.

Zudem sollte man auf komplexe Kohlenhydrate setzen, die nicht sofort verarbeitet werden, wie es zum Beispiel bei Vollkornprodukten der Fall ist. Bei den Fetten spielt Omega 3 eine entscheidende Rolle, dadurch können Entzündungsprozesse reduziert werden. Walnüsse, Haselnüsse, Mandeln, Leinöl, Rapsöl, Olivenöl oder Lachs sind hier eine gute Wahl. Außerdem sollte man 120 Gramm Obst und 500 Gramm Gemüse pro Tag essen.

Es ist nicht leicht, das alles umzusetzen. Man muss sich mit dem Thema beschäftigen und eine Struktur dafür entwickeln, wie man das im Alltag umsetzen kann. Es geht aber auf jeden Fall.

Das Gleiche gilt auch für das Thema Sport. Sie geben Tipps und Übungen für Kraft, Ausdauer und Mobilität. Werden Beweglichkeitsübungen beim klassischen Sportprogramm zu stiefmütterlich behandelt?

Despeghel: Das kann man so sagen. Wenn man im Fitnessstudio an einem Gerät arbeitet, wird die Beweglichkeit aus sportmedizinischer Sicht nicht genügend berücksichtigt. Trainieren lässt sich diese aber zum Beispiel durch Übungen wie Balancieren, auf einem Bein stehen oder mit den Fingerspitzen den Boden berühren.

Wie wirken sich zu wenig Schlaf und zu viel Stress auf unseren Alterungsprozess aus?

Despeghel: Das Immunsystem erholt sich nachts, Stresshormone werden durch Schlaf reduziert. Der Sympathikus - unser Power-Nerv, der uns aktiv und dynamisch macht - wird in der Nacht ebenfalls zurückgefahren. Der Vagusnerv, der für Ruhe und Entspannung sorgt, überwiegt dann und mit ihm die regenerationsförderlichen Hormone. Dieser Regenerationsprozess, der für Zellen, Gehirn und Psyche wichtig ist, benötigt einen Zyklus von ungefähr acht Stunden. Wenn der Körper diese Zeit dauerhaft nicht hat, ist das Immunsystem gefährdeter und kann nicht so effizient arbeiten. Die gute Nachricht: Schlechtere Nächte kann man beispielsweise mit mehr Schlaf am Wochenende ausgleichen.

Wichtig für den erholsamen Schlaf ist dann, sich zwei bis drei Stunden vor dem Zubettgehen keinem blauen Licht mehr auszusetzen. Smartphones, Rechner, Tablets und Fernseher sollten ausbleiben. Intensiver Sport und ein voller Magen abends sind ebenfalls hinderlich. Das Schlafzimmer sollte abgedunkelt sein, die Temperatur darin etwa bei 18 Grad liegen. Für den nächsten Tag sollte man sich morgens keinen Wecker stellen und keine Pläne machen.

Sie sprechen in Ihrem Buch auch über die Bedeutung sozialer Kontakte, um jung und fit zu bleiben.

Despeghel: Das ist ein wichtiger Aspekt. Das Bindungshormon Oxytocin spielt auch hier eine Rolle. Die Beziehungen zu anderen Menschen in wohlwollender Form schaffen ein Gemeinsamkeitsgefühl, das als Entspannung wahrgenommen wird, sowie ein Sicherheitsgefühl. Sicherheit und Entspannung wiederum unterstützen das Immunsystem.