Jürgen Vogel: Jürgen Vogel über seine traumatische Kindheit – und seine "Flucht"

Heute ist Jürgen Vogel Patchwork-Papa und Schauspieler, Produzent und Werbegesicht. In einem neuen Interview lässt er einen schonungslos offenen Blick auf seine Kindheit zu, die alles andere als beschaulich war. 

Jan 31, 2025 - 15:47
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Jürgen Vogel: Jürgen Vogel über seine traumatische Kindheit – und seine "Flucht"

Heute ist Jürgen Vogel Patchwork-Papa und Schauspieler, Produzent und Werbegesicht. In einem neuen Interview lässt er einen schonungslos offenen Blick auf seine Kindheit zu, die alles andere als beschaulich war. 

Dass Jürgen Vogel, 56, im Hamburger Rotlichtmilieu aufwuchs, habe er erst "viel später realisiert"; sein Vater war "Kellner, aber eigentlich aus dem Milieu" und stritt sich oft und intensiv mit seiner Mutter. "Wir waren super oft auf der Reeperbahn, haben irgendwelche Leute besucht, irgendwelche Streits von meinen Eltern", sagt der Schauspieler im Podcast "Alles anders" über seine Kindheit, "immer Stress. Alkohol hat immer 'ne Rolle gespielt. Jedes Fest war verk***t. Jedes Weihnachten war ein Albtraum." Bis heute könne Vogel nicht gut Weihnachten feiern, "weil immer das, wo wir uns als Kinder am meisten drauf gefreut haben, in einem gewaltigen Desaster endete".

Jürgen Vogel über seine Kindheit: "Körperliche Gewalt spielte eine große Rolle"

Dass Vogel einmal zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Schauspieler:innen gehören würde, hätte in seiner Kindheit wohl kaum jemand erwartet. Und das, obwohl ihn die Arbeit vor Kameras schon seit jungen Jahren begleitete. Als Kind modelte Vogel für Versandkataloge, sagt er in der am 29. Januar 2025 veröffentlichten Podcastfolge, mit 15 ging er auf eigene Faust von Hamburg nach München und versuchte sich dort an der Schauspielschule. 

So richtig wollte er sich dort aber nicht einfinden; Vogel fand keinen Gefallen an Unterrichtsfächern wie Phonetik, Improvisation, Fechtunterricht. Er gibt allerdings auch zu: "Ich war aber auch gar nicht in der Lage, diese Art des Arbeitens zu verstehen. Ich war null kulturell geprägt."

Häusliche Gewalt Infobox

Über die ersten Jahre seines Lebens sagt Vogel heute, dass sie eine "Grundstimmung der Angst und des Traumas von Gewalt und Bildern [hatten], die du als Kind eigentlich nicht erleben solltest." Auf Nachfrage der Journalistin und Podcastmoderatorin Jana Simon, 52, geht Vogel weiter ins Detail und berichtet, dass Gewalt damals zum Familienalltag gehörte. "Körperliche Gewalt spielte sowieso 'ne große Rolle in der Familie. Angst vor meinem Vater." Sein Vater sei "definitiv gewalttätig" gewesen, "aber eben auch durch Alkohol", so Vogel, "die Kindheit war eigentlich traumatisierend".

"Meinem Vater konnte ich nicht verzeihen"

Diese Erfahrungen und Erinnerungen formten sich in seiner Wahrnehmung erst später zu den Traumata, die Vogel sein Leben lang begleiten werden. Er könne auch erst jetzt darüber reden, weil seine Mutter vor fünf Jahren verstorben sei. "Sonst hätte ich ihr das einfach nicht antun wollen", so der Schauspieler. Seine Mutter habe sich in den letzten Jahrzehnten eine "neue Realität" aufgebaut, die sie habe glauben wollen. "Die wollte ich ihr auch nicht nehmen, bevor sie stirbt." Weiter macht er deutlich:

Ich hatte alles, was ich mit meiner Mutter hatte, geklärt. Und ihr auch verziehen. Meinem Vater konnte ich nicht verzeihen, der ist ja auch früh gestorben. 

Er sei Mitte 20 gewesen, als sein Vater verstarb, und hatte zu diesem Zeitpunkt rund neun Jahre lang keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern gehabt. Mit 13 Jahren zog Jürgen zu einer Sozialarbeiterin, bei der er zwei Jahre lang wohnen durfte. Während dieser Zeit absolvierte er seinen Hauptschulabschluss, wurde durch einen seiner Lehrer gefördert und begann mit Kampfsport. Im Alter von 15 Jahren ging er nach München, später dann nach Berlin, wo er sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug. Vogel arbeitete in einer Großküche, bei der Post und einem Partyservice. 

Schauspielerei war für Jürgen Vogel "eine Flucht"

Nach einigen kleinen Rollen gelang Vogel der große Durchbruch 1992 mit der Rolle des Tellerwäschers Ingo Hermann im Film "Kleine Heie" von Sönke Wortmann, 65. Was folgte war eine Schauspielkarriere par excellence – quasi vom (fiktiven) Tellerwäscher bis zum immerhin gut bezahlten Schauspieler. Vor den Kameras in andere Rollen zu schlüpfen, war für den heute 56-Jährigen "eine Flucht, eine Möglichkeit, aus dieser Welt auszusteigen".

Jürgen Vogel und Walter Kreye in der TV-Serie "Reporter" 1989.
1989 spielte Vogel an der Seite von Walter Kreye in der TV-Serie "Reporter". Sein großer Durchbruch folgte rund drei Jahre später.
© Impress Own/United Archives

Bis heute trainiert er im Kampfsport, plaudert Vogel weiter aus, angefeuert durch seinen "Drang, mich zu bewegen". Körperliche Aktivität tue ihm gut, er gibt auch zu: "Ich wäre lieber Tänzer geworden, am Anfang. Weil mich dieses Tanzen, die Musik ... Das hat mich irgendwie fasziniert." Abschließend scherzt er: "Aber ich hatte halt O-Beine, das funktioniert dann nicht so ganz in Strumpfhosen."

Verwendete Quelle: Podcast "Alles anders" via ardaudiothek.de